Projektbeschreibung

Rasches Weltbevölkerungswachstum (nach UNO-Abschätzung: mehr als 9 Milliarden Menschen bis 2050), Ressourcenverknappung und immer schwieriger werdende klimatische Bedingungen machen es erforderlich, noch mehr Nahrung zu produzieren. Laut Prognosen muss die landwirtschaftliche Erzeugung mindestens um 50% erhöht werden, um den immer größer werdenden Bedarf an Lebensmitteln abzudecken. Diese Erhöhung soll allerdings eher unter der Nutzung der existierenden Ackerflächen mit Steigerung der Agrarproduktivität erzielt werden und nicht mit Abholzung/Entwaldung, um mehr Agrarfläche zu erzielen, da dies die den ungünstigen Klimawandel eher beschleunigen und so die Lage für Landwirtschaft nur verschlimmern würde. Ziel der Bemühungen muss daher sein, mehr landwirtschaftliche Erzeugung von der bestehenden Agrarfläche zu erzielen, allerdings ohne die vorhandenen natürlichen Ressourcen und die Umwelt weiter zu belasten.

Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) tragen bereits zu diversen Wirtschaftssektoren einschließlich Landwirtschaft. Unter Smart Agriculture versteht man den Einsatz von ICT in Landwirtschaft, z.B. vernetzte Sensoren (Internet of Things, IoT), Roboter, automatisierte landwirtschaftliche Prozesse, präzise Düngung. Das Ziel dabei ist, Steigerung der Agrarproduktivität bei Minimierung der Ressourcen und Umweltbelastung.

Die bestehende ICT-Infrastruktur ist allerdings nicht effizient genug, um das volle Potenzial von Automatisierung und Präzision in der Land- und Forstwirtschaft auszuschöpfen. 5G-Mobilfunktechnologie mit ihrer genügend niedrigen Latenzzeit, viel größerer Übertragungskapazität und viel höherer Übertragungsrate als 4G ist fähig für nahezu Echtzeit-Anwendungen wie z.B. Befliegung von Video-ausgestatteten Drohen, um Pflanzen, Bäume sowie Vieh und Wildtier zu beobachten und entsprechende Maßnahmen in Echtzeit einzuleiten. Data Science und künstliche Intelligenz (KI) werden hier Schlüsselrolle spielen.

Im Reallabor „Smart Country“ wird die Entwicklung und Erprobung konkreter 5G Anwendungen für Land- und Forstwirtschaft unter realen Bedingungen in den beiden Pionierregionen der Landkreise Wolfenbüttel und Helmstedt in Niedersachsen umgesetzt. Dieses Projekt wird von einem Forschungskonsortium durchgeführt, woran mehrere Forschungsinstitute und Agrarfirmen beteiligt sind. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) im Rahmen seines 5G-Innovationswettbewerbs finanziert.

Zielsetzung/Technischer Überblick vom Projekt: Daten von Agrarflächen und Forst werden unter dem Einsatz von IoT-Sensoren und Drohnen mit speziellen Kameras gesammelt. Mit KI-/Data-Analytik-Algorithmen werden diese Datensätze zusammengeführt und die Grundlage für die benötigten Entscheidungen geschaffen, um z.B. zwischen Kulturpflanzen und Unkraut zu unterscheiden für gesteuerte Düngung (wo und wie viel Dünger: pointed fertilizing/microdosing) und für umweltschonende mechanische Ausmerzung von Unkräutern mittels Feldroboter anstatt auf umweltbelastende chemische Mittel/Herbizid zurückzugreifen; Vieh und Wildtierbestände zu beobachten; mit NIR-spektroskopischen Messungen die Erntequalität in Echtzeit zu ermitteln (smart harvesting); zuverlässige Information über Waldinventur zu bekommen und effiziente und zielgerichtete Abholzung zu ermöglichen.

Smart Forestry

Über intelligente Waldsensorik und 5G-Anbindung erfährt der Wald eine digitale Transformation, die das nachhaltige Wirtschaften optimiert, Bürger*innen informiert und den Wald fortwährend überwacht, um Forstwirt*innen bei der Bewältigung der Folgen des Klimawandels zu unterstützen. Ein zentrales Element ist die Konzeption eines Sensorknotens Wald, der eine Vielzahl von Sensoren enthält, um einen Überblick über den Zustand des Waldes anhand mehrerer beispielhafter Bäume zu gewinnen. Das Ziel ist eine proaktive und gerichtete Reaktionen auf  klimatisch bedingte Signale wie Trockenheit,  oder Risiken wie Schädlinge, um das Repertoire an forstlichen Schutzmaßnahmen zu verbessern.
 
Link zur Visualisierung der gesammelten Smart Forestry Versuchsflächen-Daten: 
Im Rahmen des Klimawandels können über 5G Mobilfunk vernetzte IoT Sensoren neben traditionellen Begehungen einen wichtigen Beitrag leisten, um aktuelle Informationen zu Vitalität und Wachstum des Baums (digitalen Zwilling) zu gewinnen. Neben einer sehr langfristigen Beobachtung des Waldzustandes und dessen Veränderung können auch besondere Frühwarnsysteme, wie Aussagen zu Borkenkäferbefall, Waldbrandgefahr oder Windbruch zu wichtigen Prognosen herangezogen werden. Als Grundlage dafür werden kostengünstige IoT Sensoren entwickelt, die über Funktechnologien Daten in einem Data Lake sammeln. Durch Auswertung dieser Daten sollen insbesondere für Forstwirt*innen relevante Informationen aktuell bereit gestellt werden, die direkt in der forstwirtschaftlichen Praxis genutzt werden können. Das Ziel ist die Überwachung des Waldzustandes und Frühwarnsysteme durch vernetzte IoT Sensorik.
Die 5G Kommunikation ermöglicht erstmals einen Eingriff in die Holzernte in Echtzeit. So werden Stakeholder direkt im Ernteprozess mit einbezogen um z.B. Holzzuschnitte und Mengenkontrakte für das finale Produkt online anzupassen. Gleichzeitig wird über langjährige Waldvitalitätssensoren die Holzqualität bei der Ernte erfasst und den Stakeholdern für die Preis- und Entscheidungsfindung mitgeteilt. Das Rundholz wird dabei mit Hilfe eines optischen und eichfähigen Harvestermaßes im Prozessorkopf vermessen und der Baumabschnitt in Form eines Zwillings digitalisiert, sodass die Vermarktungs- und Logistikkette noch im Wald angestoßen werden kann. Eine belastbare Messdatenerfassung des Ernteholzes direkt im Forst stößt die Echtzeit-Vermarktungskette für die Holzernte an.
Der Wald ist als Wirtschaftsfaktor, Bildungs- und Naherholungsort sowie Lebensraum der heimischen Flora und Fauna zentraler Bestandteil des ländlichen Raumes. Wie ist der aktuelle Zustand des Waldes an meinem Wohnort? Fehlt dem Wald aufgrund von z.B. langer Trockenheit Wasser? Welche Waldwege sind aufgrund von Forstarbeiten aktuell gesperrt und warum werden diese Arbeiten durchgeführt? Diese und weitere Fragen sollen über das Informationssystem Wald für Bürger*innen beantwortet werden. Digital, über Augmented Reality, Apps und Informationstafeln sowie Webseite soll das Informationssystem ein kommunizierendes Element werden. Dieses Informationssystem soll ein tiefers Verständnis des Ökosystems Wald vermitteln und das Interesse am Zustand des Waldes der Bürger*innen erhöhen.

Smart Farming

Das Ziel ist die Effizienzsteigerung einer produktiven, transparenten und nachhaltigen  Landwirtschaft mit gesellschaftlicher Akzeptanz durch datenbasierte Anwendungen. Sensoren, Roboter und Drohnen liefern eine bisher nicht vorhandene Granularität der Ist-Situation des Feldes, die dem einzelnen Landwirt/ der einzelnen Landwirtin unmittelbar als Informationsbasis zur Verfügung steht. 

In der Landwirtschaft wird heutzutage eine resiliente, nachhaltige und ressourcenschonende Bewirtschaftungsstrategie gefordert. Um diese zu erreichen braucht es ein neues ganzheitlich-systemisches Pflanzenbausystem, wie z.B. das Spot-Farming. Bei diesem steht die Einzelpflanze mit ihren spezifischen Anforderungen an Boden, Düngung und Pflanzenschutz im Fokus. Für eine erhöhte Biodiversität in der Agrarlandschaft wird eine spotbezogene spezifische Fruchtfolge angestrebt. Auf den kleineren amorphen homogenen Flächenspots wird die Einzelpflanze georeferenziert durch hochautomatisierte Feldrobotik in Gleichstandsaat ausgesät. Zur optimalen ganzjährigen Nutzung der Rechenkapazität benötigen die minimal ausgestatteten Feldrobotik-Systeme eine stabile und performante Netzwerkanbindung, die sich aktuell bestmöglich mit 5G realisieren lässt.

Konkretisierung der Anforderungen für eine Merkmalserfassung an Einzelpflanzen, um beispielsweise das Zählen der Einzelpflanzen als Merkmalserfassung durchzuführen und daraus das Keim- und Aufwuchsverhalten über den Vegetationszeitraum zu evaluieren. Das Ergebnis ist die Identifikation von landwirtschaftlichen Prozessen, die durch Merkmalserfassung auf Einzelpflanzenbasis unterstützt werden können.

Im Use Case Pointed Fertilizing geht es um die teilflächenspezifische Ausbringung von mineralischem Dünger im Wintergetreide. Die räumliche Heterogenität von Bodeneigenschaften auf landwirtschaftlichen Flächen führt durch die Variabilität der Pflanzenentwicklung zu unterschiedlichen Nährstoffentzügen und Ertragsleistungen. Durch die Nutzung eines pneumatischen Düngerstreuers mit Einzeldüsenregelung können heterogene Flächen gezielt bedarfsgerecht gedüngt werden. Die Ermittlung des Nährstoffbedarf geschieht hierbei über Satelliten- oder Drohnenaufnahmen, die mit Hilfe von 5G in Echtzeit verarbeitet und genutzt werden können. Das Ziel besteht in der bedarfsgerechten Förderung von Pflanzenbeständen, welche zu einer Ertragssicherung führt.

Die Analyse des Ernteguts bereits während der Ernte mit Hilfe von NIR-Sensoren gibt dem Landwirt die Möglichkeit auf Grund der Qualität des Getreides frühzeitige Vermarktungsentscheidungen zu treffen. Gleichzeit gibt eine Stoppelkarte Aufschluss über den Aufgang und die Entwicklung des Getreides und trägt als Information zu einer optimierten Aussaatkarte auf heterogenen Flächen bei.

Die Analyse des Getreidestromes auf dem Mähdrescher erfolgt mit Hilfe eines Nahinfrarot-Spektrometers (NIR). Weiterhin gibt die Stoppelzählung über Kamerasysteme in Kombination mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz Aufschluss über die Pflanzenentwicklung. Beide Informationen fließen mit Hilfe von 5G Technologien in der Cloud zusammen und dienen als Grundlage zur Informations- und Entscheidungsunterstützung für den Anwender.

Die Unkrautregulierung ist für die Ertragssicherung von besonders großer Relevanz. Zunehmend rückt dabei die mechanische Bearbeitung wieder verstärkt in den Fokus, welche mit modernen Feldrobotiksystemen effizient und ressourcenschonend durchgeführt werden kann. Ziel des Use Cases ist es, mittels UAV gewonnene Daten in der Cloud unmittelbar auszuwerten und diese anschließend Feldrobotern mit Hackaggregaten zur teilflächenspezifisch und bedarfsgerechten Unkrautregulierung zur Verfügung zu stellen. Die Daten- und Informationsgewinnung, die Verarbeitung und die Aufgabendurchführung sollen somit im Rahmen eines vernetzten Mehrmaschinensystems realisiert werden. Hierdurch kann ein wesentlicher Beitrag zur Farm-to-Fork-Strategie, also die Einsparung von Pflanzenschutzmitteln in Höhe von 50% bis 2030, der europäischen Union geleistet werden. Darüber hinaus werden weitere naturschützende Maßnahmen wie die Reduzierung der Bodenverdichtung ermöglicht.

Die Nutzung von Grünland geht mit einer Hegeverpflichtung für den Landwirt und somit dem Schutz von Wildtieren auf der Fläche einher. Insbesondere bei der Frühjahrsmahd fällt der Zeitpunkt auf die Brut- und Setzzeit vieler Wildtiere. Da Rehkitze in der ersten Lebensphase keinen Fluchtreflex haben gilt hier ein besonderer Augenmerk auf die Rettung. Ebenso beim Schutz von Bodenbrütern und ihren Nestern. Die Detektion und Unterscheidung des Wildtierbestandes auf einer Fläche kann so zu einem gezielten Schutz und Arterhalt beitragen.

Hierfür wird eine Kopplung von Drohne, Anwender und IT-System angestrebt, um Wildtierarten zu unterscheiden und eine gezielte Rettung bzw. Schutz zu gewährleisten. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz können Wildtierarten unterschieden und damit Grundlage zur Handlung für Machine-to-Machine Kommunikation über 5G werden.